Two roads diverged in a yellow wood,
And sorry I could not travel both
And be one traveler, long I stood
And looked down one as far as I could
To where it bent in the undergrowth;
Then took the other, as just as fair,
And having perhaps the better claim,
Because it was grassy and wanted wear;
Though as for that the passing there
Had worn them really about the same,
And both that morning equally lay
In leaves no step had trodden black.
Oh, I kept the first for another day!
Yet knowing how way leads on to way,
I doubted if I should ever come back.
I shall be telling this with a sigh
Somewhere ages and ages hence:
Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
Robert Frost
Dieses Gedicht war das erste Stück englischsprachige Lyrik, das mich so sehr begeistert hat, dass ich mich näher damit beschäftigen wollte. Ich war damals in der 10. Klasse und habe es sogar in ein Schulprojekt eingebaut. Heute ist es aktuell wie nie, denn Robert Frost greift hier genau die Gedanken auf, die mich zur Zeit beschäftigen.
Ich bin ein junger Mensch im 21. Jahrhundert. Viele würden sagen: Mir steht die Welt offen.
Aber will ich das überhaupt? Will ich wie so viele für längere Zeit ins Ausland, mich ausprobieren, fremde Länder entdecken, ein "Aussteigers" sein? Immerhin leben wir nur ein einziges Mal in dieser Welt, für begrenzte Zeit. Was ist, wenn mich am Ende meines Lebens jemand fragt: "Du hättest gerne einmal Indien gesehen, für ein paar Wochen in einem Kloster gelebt, Menschen in armen Ländern geholfen und die großen Städte Amerikas besichtigt? Wieso hast du es nicht getan? Es gab so vieles zu entdecken. Du hättest einen Weg gefunden!" Wenn mir Menschen von ihren Erfahrungen und außergewöhnlichen Erleb-
nissen am anderen Ende der Welt erzählen, dann packt mich ein unglaubliches Fernweh, sodass ich am liebsten sofort den nächsten Flug ins Ungewissen nehmen würde.
Und dann bin ich plötzlich wieder der Vernunftmensch. Unser gemeinsames Leben auf dieser Erde funktioniert nur, wenn wir uns in die Gesellschaft eingliedern. Es kann nicht jeder einfach aussteigen. Ich bin ein absoluter Familienmensch und träume von einer glücklichen kleinen Familie im selbstgebauten Heim mit Garten, in dem wir große Familienfeiern veranstalten. Das erreicht man nicht, wenn man seine Zeit vertrödelt, sein Studium unterbricht und den Partner allein zu Hause sitzen lässt. Welcher Missionar in Afrika hat die Chance auf eine eigene Familie in sicheren Verhältnissen? Wenn man die große Welt gesehen, einmal Blut geleckt hat, ist man doch nie wieder zufrieden mit seinem bürgerlichen Kleinstadt-
leben. Viel zu viele scheitern an ihren Plänen und kehren nach wenigen Wochen kleinlaut zurück, während andere eine Ausbildung begonnen und ihr Leben auf die Reihe bekommen haben.
Vielleicht ist es einfach die Angst, später zu bereuen, dass ich meine jungen Jahre nicht besser genutzt habe. Es setzt mich unglaublich unter Druck, dass alle Welt vom älter werden spricht und davon, dass man die Jugend genießen muss, bevor es "zu spät" ist.
Schließlich muss man die Zeit auskosten, in der man ungebunden ist, denn sobald man zwischen Familie und Beruf festsitzt wird es schwierig, Platz für solche Abenteuer zu finden und je weiter man so etwas vor sich her schiebt, desto unwahrscheinlicher wird es, dass man seine Träume umsetzt.
Beruhigt haben mich vor kurzem die Gedanken meines Freundes zu diesem Thema, der meinte, dass wir doch jetzt garnicht genug Geld haben (von Work & Travel bin ich nämlich auch nicht so begeistert und allein mit dem Rucksack zu reisen ist als Frau auch nicht gerade empfehlenswert) und dass all die Weltumrunder doch erst als Rentner mit ihren Reisen beginnen. Und eigentlich finde ich auch die Idee garnicht so schlecht, meine Midlife Crisis später mit einer Kreuzfahrt oder einem Abenteuerurlaub in den Anden zu besiegen, wenn "die Kinder aus dem Haus sind", man genug Geld angespart hat und mit seinen Träumen nicht den Eltern auf der Tasche sitzt.
Im Grunde habe ich garnicht das Bedürfnis, mein jetziges Leben zurück zu lassen. Viel zu sehr freue ich mich auf die anstehende Geburt eines neuen Familienmitgliedes, ich genieße jede Minute mit meinem Partner, will für meine Großeltern da sein und noch so viele ihrer Geschichten festhalten, bevor sie für immer in Vergessenheit geraten und ich freue mich sogar richtig auf das neue Semester mit tollen Menschen und einem Studiengang, der mich meinem Traumberuf näher bringt. Denn vielleicht ist ja die Umweltforschung mein Beitrag, die Welt zu verändern.
"The Road Not Taken" wurde vor ein paar Jahren sogar in einer Fernsehwerbung umgesetzt und ich finde diese Interpretation sehr gelungen, auch wenn der Anfang etwas nüchtern wirkt. (Am besten auf den "Youtube-Button" drücken, hier werden die Videos manchmal nur bis zur Hälfte geladen.)
Auf dass wir lernen, dass man für neue Erfahrungen manchmal ein Stück Sicherheit abgeben muss und die richtige Zeit zum Welterobern erkennen, ohne dabei unsere Wurzeln vergessen.
(Langer Post über ein Thema, das mir viel zu wichtig ist um irgend einen Gedanken kürzer zu fassen. Unglaublich, dass du bis hier hin gelesen hast, danke ;) )